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Sensation: Anna Kiesenhofer holt Gold im olympischen Straßenrennen

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(c) Stiehl/ÖRV

Niederösterreicherin düpiert die Konkurrenz mit Soloflucht

Das 139km lange olympische Straßenrennen der Frauen endete mit einer Riesenüberraschung. Die aus dem Weinviertel stammende 30-jährige Anna Kiesenhofer überquerte nach einer 48 km langen Soloflucht 1.15 Minuten vor einer der großen Favoritinnen, der Niederländerin Annemiek Van Vleuten und 1.29 Minuten vor der Italienerin Elisa Borghini die Ziellinie als Erste und krönte sich damit zur Olympiasiegerin.

Bei Kilometer 0 initiierte die Niederkreuzstättnerin mit der ersten Attacke des Tages eine starke 5-köpfige Fluchtgruppe, die u.a. aus den World Tour Fahrerinnen Omer Shapira (Israel) und Anna Plichta (Polen) bestand. Unvorsichtigerweise gewährte das Peloton den 5 Damen einen Vorsprung von mehr als 10 Minuten und hoffte der gnadenlos schwere Kurs würde die Fluchtgruppe früher oder später straucheln lassen. 

Während zuallererst die Deutschen als einzige interessiert waren, den Zeitabstand zu reduzieren, waren es später die Holländerinnen, die mit mehreren Attacken versuchten, am Vorsprung zu nagen. 58 km vor dem Ziel fuhr die Führungsgruppe – inzwischen auf drei Fahrerinnen zusammengeschmolzen – immer noch mehr als 8 Minuten vor dem Feld her.

Eine Vorentscheidung fiel 10 km später, am Kagosaka Pass, als Kiesenhofer ihre zwei Mitstreiterinnen abschüttelte und sich solo auf den Weg machte. Im Feld bzw. was davon noch übriggeblieben war, attackierte die Niederländerin Annemiek Van Vleuten und brachte rasch eine Minute zwischen sich und das Feld. Nach vorne jedoch konnte die Ex- Weltmeisterin nur bedingt Zeit gut machen, was die dominante Leistung Kiesenhofers in einen verdienten Kontext rückt. Kiesenhofer, eine ausgewiesene Zeitfahrspezialistin und mehrfache Staatsmeisterin in dieser Disziplin, hielt erfolgreich dagegen. 25 km vor dem Ziel wurde Van Vleuten vom Feld eingeholt; die 30-jährige Österreicherin jedoch hatte immer noch mehrere Minuten Vorsprung.

Auf der schweren Schlussrunde am Musashinonomori Park - Fuji International Speedway folgte nun Attacke auf Attacke im rund 25-köpfigen Feld. Dieses zerfiel, während Kiesenhofer eine gute Minute an Vorsprung ins Ziel brachte. Annemiek Van Vleuten, nach einer späten Attacke alleine auf der Verfolgung, wähnte sich als Siegerin, als sie die Ziellinie überquerte und erfuhr erst von ihren Betreuern, dass sie als Zweitplatzierte das Rennen beendet hatte. Viele der Rennfahrerinnen sind es gewohnt, während des Rennens via Funk über die Rennsituation informiert zu werden. Beim olympischen Rennen ist dies jedoch verboten, weshalb – so scheint es – ein Teil des Pelotons den Überblick über das Renngeschehen verloren hatte.  

Welch sensationelle Leistung die heute in der Schweiz lebende Kiesenhofer vollbrachte, lässt sich schwer in Worte fassen. Obwohl sie keinem der großen Teams der professionellen Radsportwelt angehört, sondern für das kleine heimische Team „Cookina Graz“ in die Pedale tritt, konnte sie in Tokio reüssieren und ließ damit den wahren olympischen Gedanken aufleben. Die als technisch nicht sehr versiert Geltende, sich im Feld unsicher Fühlende hat an diesem Tag aus ihrer Not eine Tugend gemacht, ihr Heil in der Flucht gesucht und gegen alle Wahrscheinlichkeit das Unmögliche möglich gemacht. Alleine dafür gebührt ihr größter Respekt - und die Goldmedaille.

 



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