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Pöstlberger: "Ein Podiumsplatz ist möglich und auch mein Ziel"

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Lukas Pöstlberger mit dem Stephansharter Bürgermeister Hannes Pressl und LRV-Vizepräsident Roland Pils

Großes Interview mit Bora-hansgrohe Profi Lukas Pöstlberger

Im Exklusiv-Interview mit dem LRV NÖ plaudert der Giro-Etappen-Sieger über sein verkorkstes Frühjahr, die ÖSTM im Zeitfahren, die Rad-WM in Tirol und seine langfristigen Ziele. Dem Interview vorausgegangen war eine Streckenbesichtigung der Österreichischen Staatsmeisterschaften im Einzelzeitfahren, die am 29. Juni vom LRV NÖ im Mostviertel, genauer gesagt in Stephanshart-Ardagger, ausgetragen wird.

LRV NÖ: Hallo Lukas! Danke fürs Kommen und für das Interview. Du hattest ein glückloses, von Krankheiten geplagtes Frühjahr. Du bist nach der Algarve Rundfahrt bzw. der Baskenlandrundfahrt krank geworden und seither bis auf einen Kurzauftritt bei der Tour of the Alps kein Rennen mehr gefahren. Was hat dich gezwungen, eine derart lange Pause einzulegen und wie geht’s dir heute?

Lukas Pöstlberger: Heute geht’s mir mittlerweile wieder gut. Es war das klassische Radfahrersyndrom. Nie richtig Ruhe geben, obwohl ich eine Pause gebraucht hätte.  Den Klassiker Omloop Het Nieuwsblad bin ich krank gestartet, obwohl ich eigentlich eine Pause hätte machen müssen. Ich hab mich nie richtig erholt. Im Hinterkopf war immer, dass ich Rennen fahren möchte und das ist gegipfelt in einer Totalexplosion nach der Baskenlandrundfahrt. Und nach der Tour of the Alps, bei dir ich früh aussteigen musste, kamen ich und das Team zum Schluss, dass ich körperlich und mental eine Pause brauche und dass ich danach einen neuen Formaufbau beginne.

Jetzt passt wieder alles. Und ich steige bei der [Critérium du] Dauphiné [Libéré] wieder ein. Dann schauen wir mal, wo die Reise hingeht. Die Saison ist ja noch lange. Sicher eine neue Erfahrung für mich, wie man mit einer so langen Pause umgeht.

 

LRV NÖ: Wie sieht nun dein weiteres Rennprogramm aus? Und welche Ziele hast du dafür?

Lukas Pöstlberger: Wie gesagt, die Dauphiné steht nun an. Dort möchte ich eine solide Performance abliefern. Und wieder gut ins Renngeschehen einsteigen. Freiheiten werde ich wohl keine haben, aber das hat auch nicht Priorität. Danach könnte durchaus auch die Tour [de France] auf mich "warten".

 

LRV NÖ: Hat dich der Giro-Etappensieg [Anmerkung der Red.: Lukas hat beim Giro d’Italia die erste Etappe gewonnen und damit als erster Österreicher das Maglia Rosa, das rosa Trikot des Gesamtführenden getragen] im Vorjahr persönlich und als Radprofi verändert? Wenn ja, wie?

Lukas Pöstlberger: Es hat mich mit Sicherheit verändert, insbesondere wenn man die erste Etappe gewinnt und danach das Führungstrikot trägt. Aber ich kann nicht sagen inwiefern. Selbstvertrauen habe ich dazugewonnen und vor allem Selbsterkenntnis. Einfach wie es ablaufen kann, wie es abläuft – was im Hintergrund passiert...Stichwort Presse, medientechnisch.

Mein Bekanntheitsgrad hat sich massiv verändert. Im Fahrerfeld fragt man jetzt nicht mehr: „Pöstlberger, wer ist das?“ Auch die Berichterstattung im Vorfeld des Giros hat das gezeigt; das war auch ein Grund, warum ich in der Vorbereitung übers Limit gegangen bin, weil ich eben wieder dorthin wollte, das große Ziel war, wieder beim Giro vorne mitzufahren.

Ich bin aber deshalb kein anderer Mensch.

Ich hab mit einem Etappensieg spekuliert, aber dass es so passiert, mit dem Führungstrikot damit hab ich nicht gerechnet. Wenn, dann hab ich mit einem anderen Szenario gerechnet, nämlich dass ich eine Etappe aus einer Spitzengruppe heraus während der Rundfahrt gewinne. Damit hätte ich mich wohler gefühlt.

Retrospektiv betrachtet war dieser Sieg wohl der größte Erfolg in meiner Karriere, jedoch die größte Leistung hab ich für mich bei der Rad WM letztes Jahr in Bergen erbracht. [Anmerkung der Red.:  Lukas war bei der WM in Bergen 5 Kilometer vor dem Ziel mit Wassil Kiryjenka auf der Verfolgung einer zweiköpfigen Spitzengruppe und somit auf Medaillenkurs] Wenn man bedenkt, wer dort am Start steht und wer die Linie als erster überqueren möchte, dann war das noch eine andere Hausnummer. Für mich war das der größte Erfolg und zeigt mir, wo es hingehen kann.

 

LRV NÖ: Hast du die Italien-Rundfahrt vor dem TV bis dato genauer verfolgt oder fällt es dir schwer zusehen zu müssen?

Lukas Pöstlberger: Fällt mir nicht schwer. Ich wäre gern dabei, auch weil das Team erfolgreich ist. Ich freu mich für die Teamkollegen. Es gibt den Giro nächstes Jahr wieder, es gibt heuer noch die Tour und die Vuelta….und hunderte andere Rennen.

 

LRV NÖ: Nach einer Runde auf dem Kurs der ÖSTM, wie beurteilst du die Strecke? Ist es ein Kurs für dich bzw. welchem Fahrertyp wird der Kurs besonders liegen?

Lukas Pöstlberger: Es ist eine interessante Strecke. Es ist alles dabei, eine sehr schwere Strecke, ab der Wende eher unrhythmisch. Es ist eine Herausforderung, den Rhythmus zu halten und genug Körner fürs Ende zu haben. Die Abfahrten sind technisch anspruchsvoll. Es wird spannend zu sehen, wie manche das auf dem Zeitfahrrad handle‘n werden.

Es ist sicher ein Kurs für mich. Für den Sieg muss alles passen, da ja die Konkurrenz u.a. im eigenen Team sehr groß ist. Aber ein Podiumsplatz ist möglich und auch mein Ziel.

 

LRV NÖ: Wie muss man deiner Meinung nach diesen Kurs taktisch angehen?

Lukas Pöstlberger: Es ist windabhängig, wie man das Rennen taktisch angeht. Man muss sich das am Renntag ansehen. Man wird Körner für den hügeligen Part und den Schlussanstieg aufsparen müssen. Sonst wird man unweigerlich verhungern.

 

LRV NÖ: Für einen Laien ist es vielleicht gar nicht so offensichtlich, doch gerade das Zeitfahren ist eine „hitech“ Disziplin geworden. Lass uns ein wenig in die Entwicklungen eintauchen. Wie hat sich dein Zugang zu einem Zeitfahren geändert?

Lukas Pöstlberger: Es hat sich eine Menge getan. Ein immenser Aufwand wird betrieben. Wir haben einen Performance Manager, der sich um diese Dinge kümmert. Er lässt Zeitfahranzüge spezielle für einzelne Fahrer schneidern bzw. gibt die GPS-Daten der Zeitfahrstrecke in eigene Programme ein, die einem sagen, welche Watt man zu welchem Zeitpunkt fahren muss und für wie lange und welchen Gang man fahren soll.

Es ist alles sehr analytisch geworden. Früher hat man gesagt, so jetzt fahr ich halt so schnell ich kann eine Stunde lang und heute schaut man, dass man zum richtigen Zeitpunkt so schnell fährt wie man kann.

Der Wattwiderstand potenziert sich im Gegenwind. Und je aerodynamischer man ist, umso schneller ist man. Man kann manche Positionen nur für eine bestimmte Zeit fahren, weil man zB keine Luft bekommt oder die muskuläre Belastung sehr hoch ist. Diese Position muss man sich dann für bestimmte Passagen aufbehalten, z.B. für bestimmte Gegenwindpassagen.

Ich kann auch ein Beispiel nennen. Felix Großschartner [Anmerk. der Red.: Teamkollege bei Bora-hansgrohe, der im letzten Jahr noch für die polnische CCC-Mannschaft fuhr] ist heuer bei Paris-Nizza im Zeitfahren Vierter geworden. Er sagt, dass er in diesem Jahr nicht (wesentlich) mehr Watt tritt als im letzten Jahr, seine Platzierungen (im Zeitfahren) jedoch um 10 Positionen besser ist…weil er in diesem Jahr einfach besseres Material fährt.

 

LRV NÖ: Um bei der ÖSTM zu bleiben, welche Auswirkung hat die gegebene Streckenführung auf deine Materialwahl?

Lukas Pöstlberger: Die Materialwahl spielt eine entscheidende Rolle. Wir haben eine große Auswahl, können zB zwischen vier oder fünf Vorderrädern und drei Scheibenrädern auswählen. Ich glaube, dass so manche Conti-Mannschaft nicht über diese Auswahl verfügt. Ich muss mir auch nicht den Kopf zerbrechen, welches Material gefahren wird; das macht zum Glück unser Performance Manager.

 

LRV NÖ: Ein ehemaliger Directeur sportif von dir meinte einmal, dass du einer der talentiertesten, wenn nicht der talentierteste Radfahrer Österreichs bist. Welche Ziele hast du dir noch selbst gesteckt? Was möchtest du noch erreichen?

Lukas Pöstlberger: (lacht) ...es gibt sicher Fahrer mit weniger Talent, aber auch Fahrer mit mehr Talent als ich es habe. Ich bin jetzt 26. Man sagt, man erreicht seinen Leistungszenit mit 28 und was man sich bis dahin erarbeitet hat, kann man annähernd 10 Jahre halten. Aber das sind nur fiktive Zahlen. Ich will solange Radfahren wie es mir Spaß macht.

Olympia ist ein Ziel und bei der Tour möchte ich natürlich auch einmal dabei sein. Nachdem ich beim Giro einen Etappensieg geholt habe, möchte ich das bei allen Grand Tours erreichen. Einen Klassiker gewinnen wäre natürlich auch ein Ziel. Gewinnen ist natürlich immer schwer. Flandern taugt mir… die Klassiker am Beginn der Klassikersaison liegen mir eher, Omloop, E3 Harelbeke….aber da spielen so viele Faktoren eine Rolle…ob man an Patschen hat oder nicht (lacht)….

 

LRV NÖ: Tirol ist ja heuer Austragungsort der Rad-WM. Welche Rolle möchtest du bei der Heim-WM spielen und was muss deiner Meinung nach das Ziel sein für die österreichische Mannschaft?

Lukas Pöstlberger: Ich möchte im Aufgebot stehen. Für das Mannschaftszeitfahren sieht’s nicht so schlecht aus, dass alle Österreicher des Teams [Bora-hansgrohe] im Aufgebot stehen. Hängt natürlich auch von der Vorbereitung des restlichen Teams bzw. der Taktik ab…

Das Straßenrennen der Herren…momentan haben wir 6 Startplätze, vielleicht werden es noch 8 Plätze…hängt von den Erfolgen bis August ab. Das wäre schon lässig, so rasch wird es keine Heim-WM mehr geben und eine Heim-WM zu fahren ist eine große Ehre und ein großes Ziel.

Die ITT-Strecke ist sehr schwer, 500 Hm…[zögert].. mein Hauptaugenmerk bei der Vorbereitung werde ich nicht darauf legen. Mein Hauptaugenmerk wird auf dem Mannschaftszeitfahren liegen, weil es fürs Team wichtig ist. Und sollte ich fürs Straßenrennen nominiert werden, so werde ich das restliche Team tatkräftig unterstützen.

 

LRV NÖ: Was ist da möglich?

Lukas Pöstlberger: Wenn ich Patrick [Konrad] so fahren sehe [beim Giro], dann ist Top-10 nicht unrealistisch. Vor allem es geht ja nicht nur bergauf, sondern man muss ja auch noch bergab nach Innsbruck und dann flach ins Ziel… Aber die Strecke ist auch etwas für Gregor [Mühlberger] und Felix [Großschartner]…und da spreche ich nur mal von meinen Teamkollegen. Auch Stevie [Denifl] liegt der Kurs. Und auch Preidi [Georg Preidler] hat gute Chancen. Aus heutiger Sicht jedoch würde ich Patrick die besten Chancen einräumen.

 

LRV NÖ: Herzlichen Dank fürs Gespräch, Lukas. Wir wünschen dir alles Gute für die kommenden Rennen und den Rest der Saison.  CU@ÖSTM in Stephanshart!

Das Interview führten Norbert Dürauer und Roland Pils



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